Noch nie zuvor habe ich mich so auf ein Rennen gefreut wie auf die Challenge Walchsee. Dies hatte mehrere Gründe: Das Rennen war direkt vor unserer Haustür, da wir ja nahe der Grenze zu Österreich leben (ja, jetzt wohne und studiere ich in Nürnberg, aber da ich in den Bergen aufgewachsen bin, würde ich dies als meine absolute Heimat bezeichnen), somit kannte ich die Strecken schon aus zahlreichen Trainingsausfahrten und konnte es kaum erwarten, da bei Vollsperrung mal ordentlich drüberzuheizen. Ein weiterer Grund war die Meldung des zweimaligen 70.3 Weltmeisters und Ironman Weltmeisters Sebastian Kienle. Zwar hatte ich etwas Magengrummeln, als ich erfahren habe, dass er am Walchsee starten wird, aber mir wurde schnell klar, dass dies eine super Gelegenheit ist. Einerseits um mich mit einem der Weltbesten direkt messen zu können und andererseits gab Kienle dem Rennen gleich eine ganz andere (mediale) Aufmerksamkeit, sonst wäre es evtl. komplett untergegangen, da am selben Tag auch noch die 70.3 WM in Port Elizabeth stattfand.
Zu meiner Vorfreude wurde ich zwei Tage vor dem Rennen auch noch zur Pressekonferenz eingeladen, wo Kienle mein Können (oder Potenzial?) bereits lobte und meinte, wenn ich eine Aktie wäre, dann würde er mich jetzt kaufen . Der Spruch machte danach gleich mal die Runde. So etwas motiviert natürlich unheimlich! Ein Video dazu findet ihr hier.
Auch habe ich endlich mal wieder 100% getapert, was ich nun wirklich nicht sehr oft mache, um hoffentlich auch meine allerbeste Leistung abrufen zu können. So eine Taperwoche ist allerdings gar nicht so einfach. Man ist abends nicht müde genug, um einschlafen zu können, man isst die ganze Zeit, weil man durchgehend Hunger hat und auch aus Langeweile… aber es hat natürlich auch seine Vorteile
Als meine Eltern, die auch beide an den Start gingen, und ich am Tag vor dem Rennen unsere Räder eincheckten, sprangen wir auch nochmal kurz in den 20°C warmen Walchsee bevor es dann zum Carboloading ging. Es ist auf jeden Fall der denkbar größte Luxus bei einem Wettkampf zu Hause essen und schlafen zu können und dann nur eine 20 minütige Anreise zu haben.
Dann stand endlich der Renntag an. Spätestens zum Frühstück meldet sich immer die Aufregung und in dem Moment zahlt es sich aus, gut abendgegessen zu haben, denn man bekommt kaum etwas herunter, auch wenn es sich bei mir noch in Grenzen hielt, weil die Vorfreude definitiv überwiegte. Später allerdings hatte ich Magenschmerzen und war mir nicht sicher, ob dies nun von der Aufregung ist oder ich irgendetwas nicht vertragen habe und dann kam auch die Angst, dass dies im Rennen schlimmer werden sollte.
Vor Ort machte ich noch die letzten Erledigungen in der Wechselzone und wärmte mich anschließend etwas auf, 10 Minuten sollten reichen und kurz vor dem Start ein paar Meter schwimmen. Mein Magen war dann Gott sei Dank auch wieder in Ordnung.
Der Neoprenanzug war erlaubt. Eine Woche vorher wäre dieser noch verboten gewesen, aber die Tage vor dem Rennen hat es neben viel Niederschlag auch ordentlich abgekühlt. Die Außentemperatur am Renntag betrug morgens gut 11°C, aber es gab keinen Regen, nur die Straßen waren noch nass.
Pünktlich um 9 Uhr fiel dann der Startschuss für die 12 Profimänner. Ein kleines aber doch sehr feines Starterfeld. Das Schöne bei einer Mitteldistanz ist, dass man sich im Wasser nicht gegenseitig verprügelt und einfach schwimmt. Ich startete auf der linken Seite, sah aber wie rechts vom Dänen Daniel Baekkegard ordentlich Tempo gemacht wurde und versuchte mich dahinter mit dem Briten Thomas Davis einzureihen. Es war ganz schön hart dort dranzubleiben und kurz vor der ersten Boje nach knapp 600m nahm ich Tempo raus und ließ die Beiden ziehen, da ich mich nicht schon beim Schwimmen abschießen wollte. Hier muss man ja keine Radgruppe erreichen. Von hinten schwamm dann der Schweizer Manuel Küng auf und ich reihte mich dort in den Wasserschatten. Ab da war das Schwimmen ziemlich entspannt und so stieg ich als vierter mit 50s Rückstand auf die Spitze aus dem Wasser. Fabian Reuter und mein Vereinskollege und Kumpel Julian Erhardt waren auch in unserer Schwimmgruppe.
Bei meinem ersten Wechsel stresste ich mich nicht wirklich und ging als 6ter auf die Radstrecke. Gemeinsam mit Manuel Küng und Julian bewältigten wir die ersten 15km, immer mit sehr fairen Abständen von 12m PLUS (nicht minus). Am ersten längeren Berg stellten wir den Briten Thomas Davis und auch Manuel Küng ließ abreißen, so ging es mit Julian in die längere Abfahrt und zum ersten Wendepunkt nach Kössen, wo man sich den ersten Überblick verschaffen konnte. So schaute ich bei der Wende auf die Uhr und eine Minute später kam Sebastian Kienle entgegen, mal zwei, also ungefähr zwei Minuten Vorsprung.
Danach ging es auf einem leicht ansteigenden „Drückerstück“ zurück nach Walchsee und der Rückstand auf den Führenden Dänen wurde immer kleiner. Die zweite Hälfte der Radrunde war technisch noch etwas anspruchsvoller als der erste Teil und hatte auch noch ein paar Höhenmeter mehr. Insgesamt hatte eine Radrunde knapp 600hm und 43km.
Nach der technisch sehr anspruchsvollen, aber nicht all zu langen Abfahrt in Rettenschöss ging es in die längste Steigung. Circa 3km mit 5% auf einer sehr breiten Straße, die aber nur zur Hälfte für den Wettkampf gesperrt war. Dort entschied ich mich zu attackieren und wollte die Lücke zu Platz 1 endgültig schließen, so fuhr ich den Berg mit knapp 400 Watt im Schnitt hoch, wo Julian nicht mehr folgen konnte/wollte.
Nachdem ich die Lücke zu Baekkegard schließen konnte, gab es kurz vor Ende der ersten Radrunde nochmal einen Wendepunkt. Der Vorsprung lag noch bei circa 1,5 Minuten auf Kienle.
Es war dann gar nicht so leicht, das Tempo des Dänen mitzugehen, da er vorallem in den leicht fallenden Passagen ordentlich Druck machte. Die zweite Radrunde war deutlich härter als die erste und ich fuhr auch nochmal mehr Watt abgesehen von der längeren Steigung, die ich dieses mal im „normalen Bereich“ hochfuhr. Die 86km mit 1200hm gingen vorbei wie im Flug. Die Strecke ist so schön abwechslungsreich und auch landschaftlich ein Traum, selbst bei dem bewölkten Wetter wie gestern. Gut, dass die Sonne nicht geschienen hat, denn dann wären viele von dem Alpenpanorama abgelenkt von den Straßen runtergefahren oder in Stürze verwickelt worden
Die letzten 15km fuhr ich in der Führung. Am Ende der Radstrecke verpflegte ich mich nochmal und bemerkte nach dem Wendepunkt, dass Kienle ordentlich näher gekommen war, so stiegen Baekkegard und ich mit knapp 40s Vorsprung vom Rad. Hier geht es zu meiner Stravadatei vom Radfahren.
Nach einem guten zweiten Wechsel ging ich als erster auf die Laufstrecke. Das Loslaufen gestaltete sich allerdings sehr schwer und mein komplettes rechtes Bein krampfte und ich fand keinen „normalen“ Laufstil und -rhythmus. Der Halbmarathon teilte sich in vier Runden um den Walchsee mit insgesamt 250hm und wechselnden Untergründen mit halb Schotter und halb Asphalt. Keine schnelle Strecke, aber wie auch schon beim Radfahren einfach richtig schön.
Nach zwei Kilometern holte mich der Däne und ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht dranbleiben. Weitere zwei Kilometer später holte mich dann auch Kienle und ich konnte bei dessem sehr hohen Tempo erst recht nicht dranbleiben. Ich war schon echt am Zweifeln und fragte immer wieder am Streckenrand nach den Vorsprung auf Platz 4, der aber knapp 6 Minuten betrug.
Nach dem ersten Gel, was ich nach einer Laufrunde nahm, wurden meine Beine etwas besser und ich konnte das selbe Tempo aufnehmen, was auch Baekkegard lief, der circa 200m vor mir auf Platz zwei lag. Kienle lief ab diesem Zeitpunkt sein eigenes Rennen ungefährdet zum Sieg.
Es war Wahnsinn wie viele Zuschauer auf der Strecke meinen Namen riefen. So etwas macht den Schmerz um einiges erträglicher. Nach meinem zweiten Gel nach der Hälfte des Laufens wachte ich so richtig auf. Ich fand endlich einen sehr schnellen Schritt und konnte richtig an Frequenz zulegen. Somit schloss ich nicht nur auf den Dänen auf, sondern lief gleich an ihm vorbei und baute meinen Vorsprung sehr schnell aus. Meine dritte Runde war sicher auch meine Schnellste. Da fing es dann auch wieder an unglaublich viel Spaß zu machen wissend, dass es auch bald vorbei sein wird.
In der letzten Runde baute ich meinen Vorsprung auf Platz 3 noch deutlich aus. Kienle war mit 2,5 Minuten zu weit weg, um dort noch irgendetwas machen zu können, was wahrscheinlich auch nicht möglich gewesen wäre. So lief ich als zweiter voller Freude ins Ziel am Walchsee! Zweiter hinter Sebastian Kienle und vor dem Dänen Daniel Baekkegard. Wahrscheinlich mein bisher größter Erfolg und auf jeden Fall mein bisher geilstes Rennen! Eine Wahnsinns-Erfahrung bei einer richtig guten Veranstaltung, die ich nur weiter empfehlen kann (Nächstes Jahr findet die Challenge Kaiserwinkl-Walchsee am 30. Juni statt). Ergebnisse findet ihr hier. Meine Eltern konnten beide ihre Altersklasse gewinnen und wir qualifizierten uns somit alle für „The Championship“ (Challenge Samorin), die am 02. Juni 2019 stattfindet und wir werden auch alle dort teilnehmen.
Ich bin mehr als zufrieden mit meinem Rennen und hab mein Ziel erreicht besser als meine Startnummer #3 zu sein
Von der Strecke kann ich nicht genug schwärmen und ich hoffe, dass das Rennen nächstes Jahr in meine Saisonplanung passt, dann bin ich sicher wieder dabei! Wie Sebastian Kienle in seinem Interview bei der Siegerehrung schon meinte: „Ich mag so Radstrecken, wo nicht nur auf irgend 'nem Parkplatz rumgefahren wird“ Hier findet ihr auch ein Video zu diesem Interview, wo es auch wieder lobende Worte des dreimaligen Weltmeisters gab. Sebi ist einfach ein super sympathischer Typ mit immer wieder sehr unterhaltsamen Interviews und ich würde niemanden einen Hawaii-Sieg mehr gönnen als ihm, auch wenn man nach gestern seine Wetten vielleicht woanders platzieren sollte, ich sag nur 1:06. Aber auf Hawaii werden die Karten sowieso immer ganz neu gemischt und scheinbar bringt es ja Glück, wenn man mich in seiner Hawaiivorbereitung schlägt wie Patrick Lange letztes Jahr beim Frankfurt City Triathlon
Nun heißt es schnell erholen, um am Samstag wieder fit zu sein, denn ich starte beim Elite Europa Cup im spanischen Valencia über die Olympische Distanz. Ich bin gespannt, was da so gehen wird nach dem harten Rennen gestern.
Bis dahin
Frederic
(Bilder: 1. Ingo Kutsche
2+3. Anna Marie Funk
Rest Michael Rauschendorfer)